Georg aus Unterschleißheim

Grenzüberschreitungen

Heutzutage gibt es Freier, die versuchen die Preise zu drücken. Es entwertet die Dienstleistung, wenn ich sag: „Ich zahl nur die Hälfte“. Das reicht an Ausbeutung hin. Die Frau macht das ja nicht aus Lust, sondern weil sie Geld verdienen will, und wenn man das drückt, ist das gegen den Willen der Frau. Sie stellt sich was andres vor. Es ist mir ganz wichtig, dass es eine harmonische Begegnung ist. Und Preisdrücken ist eben nicht das, was ich mir unter  harmonisch vorstelle.
Die Frauen, die ich kennengelernt habe, wussten, wie das Geschäft läuft. In den Achtziger Jahren war es ja so, da musste man für alles bezahlen, für anfassen dort und für dies und jenes, ausgezogen und nicht ausgezogen, und so weiter, da gab es ja Preisunterschiede und da musste man sich auch daran halten. Sonst kam es sofort zum Eklat oder wäre es zum Eklat gekommen. Der Spass wäre sofort vorbei gewesen, weil die Frau sich das nicht gefallen lässt, dass sie wo geküsst wird, wo sie nicht will und wo nicht bezahlt wurde. Das sind alles so Sachen, die bei der Frau Frustration oder Aggression bewirken: Die Situation kann man ja auf den eigenen Alltag, auf das Geschäftsleben übertragen:  Jemand hält sich nicht dran, was man vereinbart hat, was man will, was man als Wunsch geäußert hat. Das macht wütend und zehrt auch nach, das belastet und anschließend kann der Tag versaut sein.
Ich sitze in einem Saunaclub und da ist eine junge Frau um die Zwanzig. Ich weiß nicht mehr genau, was die gesagt hat. „Ich trau mich nicht heim, ich brauch Geld, ich muss Geld mitbringen.“・ so was in der Art. Und ich hab mir gedacht: Ich bin doch jetzt nicht der Blöde und zahl der was, wo sie ja schon mit Problemen rüberkommt, und hab das der Betreiberin gesagt, dass die scheinbar Probleme hat. Und dann hat die Betreiberin zu mir gesagt: „Die muss das hier nicht machen“. Ich hab mich nicht weiter gekümmert, aber ich hab gehofft, die Betreiberin regelt das. Die Frau habe ich dann irgendwann in einem Zimmer stehen sehen mit einem andren Freier reden. Also da ging auch die Diskussion los. Mehr kann ich dazu nicht sagen, außer, dass man es nicht klären konnte. Hat die das unter Zwang gemacht? Was für Probleme hatte die wirklich?  Klar hätte ich die Polizei rufen können und der das überlassen, aber ich fand das Ok, wenn man das der Betreiberin meldet. Wie gesagt, dieser Club kommt mir nicht asozial vor, das ist nicht die letzte Spelunke.
Wobei ich sage:  Je luxuriöser das Ganze ist, umso mehr Druck kann dahinter sein, weil, wo viel Geld investiert ist, muss auch viel raus springen. Also Straßenprostitution, Sexarbeit auf der Straße, wo sich die Frau schminkt und sich auf die Straße stellt, da entstehen noch keine Kosten außer der Schminke. Wenn die jetzt nicht zum Zug kommt, stellt sie sich halt am nächsten Tag wieder hin. Aber eine, die für die Zimmermiete eines  Luxuszimmers mit Toplage hohe Summen zahlt, da steht man schon eher unter Druck.

Die Achtziger Jahre
Mit Achtzehn war ich das erste Mal bei einer professionellen Sexarbeiterin.
Meine Erfahrung, die muss ich einteilen in die jungen Jahre bis 93, vor 1993 habe ich 5 Jahre eine Frau die Sexarbeit auf der Straße anbietet, gekannt. Dann war ich verheiratet und hatte keinen Kontakt mehr zu Sexarbeiterinnen.
Erst als ich mich von meiner Frau getrennt habe und finanziell das dann auch wieder möglich war, so ab 2010, bin ich dann hin und wieder wieder losgezogen. Aber nicht mehr so in der Weise wie mit 20 oder 30 Jahren. Und es hat sich dazwischen viel verändert.
Girlfriendsex ist natürlich für einen Romantiker wie mich ein Plus, wenn sowas möglich ist. In den Achtzigern  gab es kein Kuscheln, da hat es ganz klar geheißen: „Liebe gibt’s nicht!“・ Und Kuscheln wäre unter Liebe gefallen- also. Nur mal mit einer daliegen, also der Wunsch war mal da, aber das konnte man damals nicht umsetzen. Die haben den Geschlechtsverkehr durchziehen wollen. Blöd daher reden ging sowieso nicht, also das war schlimmer als sonst was, dann wäre man raus bugsiert worden. Also ich kenne die Frauen nur als selbstbestimmt und emanzipiert. Das hab ich natürlich schon wahrgenommen, dass die Situation jetzt anders ist, auch durch die Freierforen. Wobei man da vorsichtig sein muss, denn das Schreiben über Sexualität ist ja auch schon wieder eine Lustabfuhr. Drum denke ich auch, dass das alles gar nicht wahr sein muss, was da in den Foren steht.
Über die Sexarbeit, die damals noch sittenwidrig war, stand in der Zeitung höchstens irgendwas Sensationelles, diese üblichen Berichte, halt über das sogenannte „Rotlichtmilieu“, was unterhaltsamen Charakter für die Leser haben soll. „Zwangsprostituierte“ –  die Diskussion gab es damals nicht. Die kam erst mit dem Fall der Mauer. Da habe ich zum ersten mal mitgekriegt, Rumäninnen sollen hier arbeiten..
Ende der 80 ist es einmal passiert, da hat mir eine mein Hemd zerrissen, mein Lieblingshemd in Lila. Wir haben ganz normal den Preis ausgemacht, es hat alles gepasst, sind aufs Zimmer gegangen und da wollte sie mehr Geld. Die Stimmung war runter, weil ich Nein gesagt hab. Bei einer Frau Nein sagen ist schon ungut. Da wird’s dann meistens nichts Schönes. Ich konnte dann nicht, wollt auch nicht. Dann hat sie mir das Hemd zerrissen und ist gegangen. Ich hab gehofft, dass sie mir nicht im Streit eine Tätlichkeit anhängt.  War dann nicht, aber hätte ja sein können. Zu dieser Zeit, was wusste man damals?
Ich hatte immer Hemmungen mit Tschechinnen und Polinnen. Das hat mit dem Zweiten Weltkrieg zu tun, dass wir da einmarschiert sind in Prag und Warschau, das ging nicht.

Die Frau von der Landsbergerstraße
Sie stand mit ihrem Auto immer da, das war in den Achtzigern, ich durfte dann einsteigen und dann sind wir im Lauf der fünf  Jahre zu zig Etablissements. Sie hat häufig ihr Etablissement wechseln müssen, weil dann war`s da wieder nicht möglich und da verboten und da durfte man nicht hinfahren. Einmal, als wir uns schon lange gekannt haben, hat sie mir irgendwie den Abend vermiest, und das hab ich ihr vorgeworfen: „Hättest du halt gesagt, du willst heute nicht, dann hätten wir halt nichts gemacht!“・Das war dann unser erster Streit. Beim nächsten Mal steh ich also da, also vor ihrem Auto und hab die Hand schon an der Klinke und mach aber die Tür nicht auf, weil die hab ich nie auf gemacht, die hat immer sie aufgemacht. Nach dem Streit hat sie die Tür nicht aufgemacht, da hab ich mir auch gedacht, später, da geht es um Sekunden, wer hat hier das Sagen? Sie macht die Tür dann auf, ich hab die Hand zwar an der Tür liegen gehabt, hab sie aber nicht aufgemacht. Hätte ich jetzt die Tür aufgemacht, hätte ich die ganze Konstellation über Kopf geworfen und es hätte nicht mehr funktioniert. Ich führe das an als typisches Beispiel: Da  läuft nur, was die Frau will.
Und dann wurde sie schwanger. Damals hab ich mir gar nichts gedacht. Ich hab sie gekannt und irgendwann ist sie schwanger gewesen, hat aber immer noch gearbeitet und wir haben uns trotzdem immer noch getroffen und das war nicht anders. Einmal sagte ich Spaßes halber: „Jetzt schaukeln wir das Baby“. Boah, hat sie mich weg gestoßen! Der Samstagabend ging dann noch weiter, also ich war ihr überhaupt nicht böse, also ich hab das irgendwie erst im Nachhinein realisiert: Mein Gott, jetzt haben wir gestritten! Ich bin dann in einen Club gegangen, wo ich auch öfters war, wo sie mich gekannt haben und dann erzähl ich das auch noch. Dann waren die Frauen total sauer auf mich, ich war mit einer auf dem Zimmer, hab gezahlt gehabt, dann kommt die nicht mehr. Also haben sie mich bewusst bestraft.  Ich kann jetzt auch nicht mehr sagen, in welchem Monat die schwanger war, wir haben nicht darüber geredet, da hat es geheißen: „Mach es oder lass es“・ Ganz am Anfang hat sie mir erzählt: „Du bist anders, die meisten Freier fragen immer, ‚wieso machst du das, kannst du nicht was anderes machen, willst du nicht aussteigen?`“. Ich hab das einfach alles irgendwo als gegeben genommen. Dass mich ihre Schwangerschaft nicht als Mann beschäftigt hat, wo ich sie damals schon sicher 4 Jahre kannte, das belegt das ja. Ich hab dann im Sexualkundebuch nachgeschlagen, wie schwer der Fötus jetzt ist und für so viele Gramm einen Goldbarren gekauft und eine Babyflasche, den Goldbarren da rein und auch ein Metermaß dazu.
Das wollte ich ihr schenken, aber dann hab ich mir gedacht. „Nee, das wird jetzt zu persönlich.“・Das letzte Treffen vor der Entbindung, da komm ich mit einer Flasche Champagner daher, also das muss auch einmal erzählt sein, wie blöd man als Mann ist. Den hat sie natürlich nicht getrunken. Und ich hab‘ eine Frau nie so von innen heraus strahlen sehen wie an diesem Abend.
Also nach ihrer Schwangerschaft Anfang der Neunziger Jahre, da habe ich von den Vergewaltigungen im Bosnien-Krieg gehört und da war es bei mir aus, da ging nix mehr. Da hab ich dann echt an den Männern gezweifelt, also wie das gehen soll.

Die Mädchen-WG
In der Mädchen-WG habe ich die Viktoria 2012 kennengelernt, die war nur einmal antreffbar, dann war sie wieder weg. Das Kennenlernen in der Bar war so, das ist Mädchen-WG-typisch, kommt eine Frau gucken, ne das ist nicht mein Typ, geht wieder. Sie ist sitzen geblieben, ich hab sie angesprochen und sie sagt: „Meinst du mich?“・Also aberwitzig. Aber was ich damit sagen will: so richtig auf Distanz. Man hätte nicht vermutet, dass die ein Geschäft machen möchte.  Oder dass man der sympathisch ist. Aber irgendwie fand ich das so witzig. „Meinst du mich?“ Das war das erste Mal, dass ich nach der Ehe wieder weggegangen bin, ich war also abenteuerlustig drauf. Das Reingehen war auch schon witzig. Da sitzen die jungen Frauen im Sommer auf der Treppe und eine sagt „Die Bilder hängen an der Wand“. Ich denk, die Bilder schaue ich mir jetzt nicht an, wenn ihr eh schon auf der Treppe sitzt, kann ich euch ja anschauen. Alles ein bisschen anders, als ich es von früher kannte. Osteuropäerinnen sind halt anders. Victoria war nicht so extrovertiert und lustig, dann haben wir halt eine Kuschelstunde gemacht. Gar nichts eigentlich. Ich fand`s OK. Die Freier haben sie in den Foren ganz schlecht beurteilt. Ich fand das nicht in Ordnung. Für mich war es super. Es war ein heißer Sommernachmittag und wir lagen da im Bett und haben gemacht, was ging, was für mich ging, ich kann dazu stehen. Auch wenn man den Eindruck gehabt hat, die Frau hat jetzt nichts vor. Was sie dann schon wollte, war eine zweite Stunde, das ging aber bei mir finanziell nicht.
Ich hab dann in der Mädchen-WG nach der Victoria auch noch einmal die Nicole kennen gelernt. Am 26. Dezember haben wir uns getroffen, sie blieb angezogen und ich hab dann gesagt: „Na gut, dann mach ma` halt jetzt nix.“・Ich habe nie nachgefragt, warum nicht, weil das würde ich schon als Bedrängen auffassen, wenn eine Frau indirekt oder direkt sagt, sie will jetzt nicht. Beim ersten Mal hat sie gefragt, ob wir noch in die Bar gehen und was trinken, „Nee,“, habe ich gesagt, „sonst reißen wir uns ja überhaupt nicht los.“ Dann hab ich doch zu ihr gesagt, einen Fünfzig-Euro-Schein schwingend: „Wollen wir noch was in der Bar trinken?“・Dann reißt sie mir den aus der Hand und sagt: „Huch, mein  Weihnachtsgeschenk!“ Ok, das war dann so witzig dass es dann auch wieder toll war. Man kann jetzt meinen, der Typ spinnt, aber ich glaub Männer sind wirklich so, diese Situation gibt es sicher nicht nur einmal bei mir. Da sagt sich halt ein Mann: „Ok,  soll‘s  ihn halt haben, selber schuld, wozu schwing` ich vor ihrer Nase einen Fünfziger?“・

Erlebnis mit Luana
Ich war in Saarbrücken und hab Zeitungsberichte gelesen, dass da eine vor dem Friedhof steht. Da hab ich mir gedacht, was ist das für ein verrücktes Huhn? Geht vorm Friedhof. Das hat die Saarbrücker Zeitung geschrieben, hab ich mir gedacht, das muss ich mir anschauen. Schöner Nachmittag, plötzlich kommt die Sonne raus. Ich zieh den Pullover aus, da steht sie auf der anderen Straßenseite, plötzlich war sie weg, dann gehe ich in ihre Richtung aber auf meiner Seite, dann sehe ich sie am Waldweg, Geschäft machen, muss auch einmal sein. Dann kommt sie aus dem Weg raus und ich sprech` sie an: „Wie machst du das hier?“・War ja nur ein Waldweg. Ich kannte so was nicht, in München gibt’s so etwas nicht.  Da lacht sie und meint: „Hier im Gebüsch.“・Na gut, im Gebüsch. Und wir haben es gemacht im Gebüsch.  Auf die kurze Konversation hin. Ich stell dann fest, die ist ganz ruhig und ganz professionell packt sie ihr Kondom aus. War auch etwas, was gepasst hat. Nur dass wir es im Gebüsch gemacht haben, da kam ich mir als letzter Heuler vor.
Und ich hab‘ was neues gelernt: Wippen auf weichem Waldboden. Das macht ganz weiche rollende Bewegungen.
Später gings echt los und ich hab Muffensausen gekriegt. Spinnst du? Wie kannst du das machen, eine Rumänin im Gebüsch vögeln, die du gar nicht kennst, mit der du keinen großartigen Wortwechsel gehabt hast außer – „Wie macht du das?“ – „Ja, hier.“ Ich hab sie dann noch einmal gebucht um sie noch einmal zu treffen und mich zu vergewissern, was das für eine Situation ist.
Es sind höchtspersönliche Begebenheiten zwischen Menschen. Ich hab gemerkt: Es ist alles ok. Das war beruhigend. Sonst hätt‘ mir das zu schaffen gemacht.
Ich habe sie wieder angetroffen, wir haben öfters noch Winkewinke gemacht, aber nichts Sexuelles mehr.

Die unsichtbaren Gebiete
Das kommt in jeder Ehe vor, dass man‘s macht, obwohl es hinten und vorne nicht mehr die passende Situation ist, also das gibt es auch im Bereich des bezahlten Sex. Es ist kein Drängen, kein Druck, gar nichts. Es hat halt einfach nicht gepasst und man hat es trotzdem gemacht. Man muss sich vorstellen, da gehen Leute hin, die haben vielleicht einen anstrengenden Arbeitstag hinter sich, wollen vielleicht ein bisschen ausspannen, haben die Rübe voll mit irgendwas anderem und es passiert irgendwas, womit man nicht gerechnet hat und dann soll man situationsgerecht reagieren. Aber, wenn die Frau jetzt einen mit aufs Zimmer zieht und das Geschäft unbedingt machen will, dann ziehen da Kräfte an einem, wo man vielleicht sonst abblocken würde, aber wenn die Frau das will, dann passiert`s halt. Damit das funktioniert gehört immer dazu, dass beide das wollen. Also, wenn eine Geld verdienen muss, dann kobert sie, geht sie aufs Zimmer und dann kommt ein völliger Stimmungsumschwung, ganz radikal, dass man sich fragt: „Hoppla was ist denn mit der Frau jetzt los?“・Dann lässt sie das so über sich ergehen und nachdem man sich vorher vielleicht gut unterhalten hat oder ein gutes Gefühl gehabt hat. Erst später sagt man sich: „Hoppla, was war das jetzt? Eine Zwangsprostituierte?“・Das ist ja ein völlig blöder Begriff. Sagen wir: Eine, die ihre Schulden abzahlen muss, Schulden bei der Bank für die Wohnung zum Beispiel, die muss ja Kohle ran schaffen, es ist ja kein fixer Job mit fixen Arbeitszeiten, sondern von der Nachfrage abhängig, die Auftragslage bestimmt, wie bei jedem Selbständigen. Wenn es zum Eigentlichen kommt, dann kommt vielleicht ihre Erziehung oder vielleicht ihre Einstellung durch, sie ist dann passiv oder geht mit der Hand dazwischen, oder dass der Blickkontakt nicht mehr gegeben ist. Normale Konversation findet mit Blickkontakt statt, mit Freundlichkeit, Spaß und mit Witz. Da sind die Frauen nicht anders, die wollen genauso eine lustige Arbeit haben, die nehmen die Männer hoch und flirten und machen Spaß. Wenn das halt alles nicht gegeben ist, dann merkt man das sofort, jeder merkt so was. Vorsicht, da ist jetzt etwas anders!
Also erstens mal hab ich mich selber geändert- ich bin älter geworden. Durch meine Ehe hab ich auch gelernt, auf so manches zu verzichten, einiges als nicht mehr so wichtig zu nehmen, was ich früher sicherlich nicht gemacht hätte. Jetzt kann ich am Straßenstrich vorbei gehen und  mich anquatschen lassen und dann der 30 Euro geben, einfach nur für einen 5 Minuten Smalltalk, weil ich mir sag, hättest nicht vorbei gehen brauchen, nur zum Gucken. Man ist mit dem Alter anders, ich bin anders, andere Männer sind anders, ich brauch das Sexuelle eigentlich nicht mehr. Es würde mir, glaub ich auch schwer fallen momentan, die Harmonie im Kopf als Vorstellung überhaupt noch hinzukriegen, bei dieser ganzen Diskussion die hier in den Medien geführt wird, ich könnte es momentan nicht. Aber so mit Nicole auf dem Sofa kuscheln, also ich mein es geht jetzt plötzlich, so was gibt es, also das kann man stundenlang machen. Das hat man früher in der Bar auf dem Barhocker gemacht, während man fünf Champagnergläser getrunken hat. Mit Sicherheit bin ich auch sensibler geworden

Engagement als Kunde
Ich wollt mich immer engagieren, das zündende Erlebnis kam als ich im Urlaub in einem südamerikanischen Land viele NGOs sah, die Sexarbeiterinnen auf der Straße unterstützt haben – niederländische, deutsche, österreichische Organisationen. Ich hab mir gedacht, das kann man ja hier daheim auch machen. Es war einfach der Punkt erreicht, wo das für mich wichtig wurde. Ich steh jetzt auf und unterstütze den Kampf der Sexarbeiterinnen für ihre Rechte. Ich verteile Zettel, sammle Unterschriften für eine Unterschriftenaktion. Das habe ich alles verteilt und ich glaub die Frauen fanden das ganz Ok.
Aber ich habe keinen Kontakt zu den anderen Freiern herstellen können. Wer weiß, woran das jetzt liegt? Das Facebook ist eh ein Quatsch, die Diskrepanz zwischen dieser Virtualität und der Realität  ist doch zu groß. Ich konnte keinen Kontakt herstellen. Leider. Dann hätten sich, vermute ich, Einblicke in unterschiedliche Wahrnehmungen ergeben. Ich bin eher doch der Typ, der sagt, der Freier hat eigentlich gar nichts zu sagen, weil so hab ich es kennen gelernt.  Jetzt stelle ich fest, dass manche Männer doch ganz  gezielte Vorstellungen haben, wie das alles sein soll und da denk ich mir, ändert sich das Arbeitsbild für die Frau schon. Es ist ja immer noch eine höchst persönliche Dienstleistung, aber da auf so ganz spezielle Wünsche von Freiern einzugehen,  das ist schon eine andere Perspektive von dem Job, als ich es kennen gelernt habe in den 80ern, wo die Frau gesagt hat: „Also ohne kostet so viel, mit kostet soviel.“・’Oben ohne‘ mein ich, (lacht), was anderes gab es sowieso nicht, ohne Kondom war undenkbar.
Das ganze Programm, das Feministinnen in den Medien wie Emma bekritteln, dass nämlich Frauen das ganze Programm, das sie anbieten, all die Praktiken jederzeit auch durchführen müssen, das machen die nie. Ein Geschäftsführer hat einmal gesagt, wenn wir dies und das nicht anbieten würden in unserer Branche, dann würden die Kunden kommen und sagen wieso bietet ihr das nicht an, also man muss es anbieten, damit die Leute nicht Anstoß dran nehmen, aber interessiert sind sie nicht, keiner kauft es. Interessiert sind sie am Kerngeschäft. Zum Beispiel „anal“ steht überall dabei und die wenigsten Frauen machen es. Das ist Geschäftstüchtigkeit, der Kunde liest „anal“, also kommt er. Jetzt steht er bei der auf der Matte und dann sagt die: „Du, heut`geht’s nicht.“ Aber der Mann ist schon mal da, dann bleibt er vielleicht doch wegen was anderem. Also so denk ich, funktioniert das. Wer natürlich die Marktmacht nicht hat, wer das Geld unbedingt dringend braucht, oder keine starke gefestigte Persönlichkeit ist, ja das gibt es sicherlich auch, wenn das konservativ erzogene, womöglich sehr junge Frauen sind, die kommen da nicht mit, also das kann ich mir schon gut vorstellen, dass sie denken, sie dürfen die angebotene Leistung nicht ausschlagen.

Das Stigma im double-bind
Wenn ich das erzähle, stelle ich mich jetzt einfach hinter die politische Situation und verschanze mich nicht hinter meiner persönlichen Situation. Vor dem Fussballstadion  hab ich den Männern ein Flugblatt für „Freie Berufsausübung in der Sexarbeit“ in die Hand gedrückt. Also das ganze Lager meiner Arbeitskollegen könnte das wissen. Ich geh dann den Gang entlang zu meinem Büro und denk mir, was denkt der jetzt, was denkt der jetzt. Dann denk ich mir – nee, das sind nur deine Gedanken. Also, ich erlebe, wie es ist, wenn man stigmatisiert ist. Also da gibt’s diesen Witz von Watzlawik mit dem Nachbarn, wo man meint, der Nachbar will einem was Böses und man ist dann bös zum Nachbarn. Und je massiver einen diese Diskriminierung berührt, man ist ja auch nur ein Mensch, schottet man sich mehr und mehr ab. Das kann auch eine depressive Stimmung auslösen, da ist alles drin. Also ich denk mir, wenn das jetzt so durch die Medien geistert, Sexarbeit mit so viel Negativem in Verbindung gebracht wird, da bleiben die Freier weg. Sie  bleiben weg aus solch Gründen, wo ich sag, das ist eine Überichgeschichte, ein aufoktroyiertes Schuldgefühl und Schuldgefühle sind ja eigentlich ganz was Schlimmes. Weil sie einen ja lähmen.
Was macht ein Mann, wenn er keine Frau hat, keine Freundinnen findet? Oder nicht will? Ich hab genug Verpflichtungen und kann keine neue Liaisons eingehen. Das kann alles passieren, das vermisse ich in den Medien. Die Leute wissen nicht, was es da für Schattierungen gibt. Das ist das Leben. So gehen Männer mit Frauen und Frauen mit Männern um.
Hier kann nur die Auseinandersetzung mit sich selbst helfen. Man hat Angst vor der Angst und darum macht man dieses und jenes nicht. Was einen daran hindert, etwas zu verändern. Solche Mechanismen spielen da auf jeden Fall mit rein.
Wenn man bei Frauen die mit der Sexarbeit Schluß machen wollen, erst einmal von Sozialangst redet, dass die erst wieder Selbstvertrauen schaffen müssen, dann ist das genau der Punkt. Die Frauen funktionieren in ihrem Milieukreis wunderbar. Wenn sich so eine Frau, die was anderes machen will, vorstellt: Ich trete da jetzt eine Arbeitsstelle an und hoffentlich ist da nicht ein ehemaliger Freier und hoffentlich merken die nicht etwas an meinem Verhalten und hoffentlich hat keiner von den Menschen mich früher einmal auf der Straße stehen sehen oder mein Foto im Internet gesehen und hoffentlich bin ich glaubwürdig… und und. So viele Gedanken, die einen normalen Kontakt verhindern und damit erzeugt der Mensch selber irgendwie eine Seltsamkeit und löst Irritation in seiner Umgebung aus, was dann halt wieder Unverständnis der Kollegen nach sich zieht, die dann irgendwie irritiert und nicht so kontaktfreudig sind, weil sie mit der Situation nicht umgehen können. Das hat mit der Sexarbeit im direkten Sinn nichts zu tun.