Ent/Kriminalisierung

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Wie wirken sich verschieden rechtliche Modelle der Regulierung von Sexarbeit aus? Was bewirkt das Schwedische Modell der Freierbestrafung? Was ist das neuseeländische Modell? Wieso soviele Sonderregelungen und Spezialverordnungen? Welche Prostitutionsgesetze verstoßen gegen Verfassungs- und Menschenrechte?

Chatprotokoll vom 30.4.2016 11:00 - 13:00 Uhr

User: Message
Tina Leisch: Guten Morgen und willkommen im OnlineChat zum Thema Ent/Kriminalisierung!
Gerald: Guten Morgen
Tina Leisch: Guten Morgen, Helga Amesberger, Sozialwissenschaftlerin und Autorin der wichtigsten Studien zum Thema Sexarbeit in Österreich.
Tina Leisch: Guten Morgen, Katharina Beclin, Professorin für Kriminalistik in Wien!
Tina Leisch: hallo Gerald!
Helga Amesberger: guten Morgen allseits
Tina Leisch: Guten Morgen, Sylvester!
Tina Leisch: heute solls um die Gesetze gehen, die Sexarbeit regulieren.
Tina Leisch: Welche Gesetze bewirken welche Effekte?
Katharina Beclin: Auch ich wünsche allseites einen Guten Morgen! Als Strafrechtlerin und Assistenzprofessorin für Kriminologie an der Universität Wienn muss ich mich ganz klar gegen jede Form der Kriminalisierung von Sexarbeit aussprechen. Sobald Gewalt oder Zwang im Spiel ist, greifen selbstverständlich Gewalt- und Sexualdelikte.
Gerald: Ich habe eine erste Frage an Frau Beclin: warum besteht Registrierungspflicht und Gesundheitsuntersuchung? während meiner aktiven Zeit als Kunde bin ich oft in Nachtclubs - Animierbars gegangen, war einige Jahre Kunde
Helga Amesberger: Ich trete (und auch andere der Lustwerkstatt) treten für eine umfassende Entkriminalisierung der Sexarbeit ein.
Tina Leisch: Im Moment macht ja die schwedische Regierung in ganz Europa Werbung für die sogenannte Freierbestrafung.
Helga Amesberger: Von Seiten der Polizei wird Registrierungspflicht miT Schutz der Sexarbeiterinnen argumentiert und der Verhinderung von Menschenhandel. Beide Argumente fehlt jedoch jede empirische Basis
Gerald: die Frauen dort haben fixe Arbeitszeiten gehabt, Dienstag-Samstag geaarbeitet, aus ihren Erzählungen habe ich erfahren, dass sie gerne angestellt wären.
Helga Amesberger: Die Pflichtuntersuchungen werden ebenfalls mit dem Schutz der Frauen - die damit als dumm und nicht fähig zur Eigenverantwortlichkeit definiert werden - begründet
Gerald: sie haben sowieso die Hälfte - bei Sektflaschen sogar 80% der Einnahmen - den betreibern abgegeben, aber keinerlei Privilegien gehabt, die jeder normale Arbeitnehmer selbstverständlich hat
Gerald: Privilegien
Helga Amesberger: der tatsächliche Grund dahinter ist nach wie vor, dass die Pflichtuntersuchung im Interesse der Volksgesundheit gesehen wird. Weil die Männer, die ungeschützten Sex verlangen und ev. bekommen, dann ihre Partnerinnen anstecken
Gerald: Interessante Begründung.
Tina Leisch: Guten Morgen, Christine Nagl, Expertin aus Salzburg, im Vorstand von sexworker.at
CHRISTINE NAGL: Hallo ihr Lieben, ich bin nun auch dazugestoßen. Zum Gerald´s Input, dass die Frauen gerne angestellt werden wollten: Ich denke, dass der Charakter von Sexarbeit selbstständig sein muss, weil es im Endeffekt um eine Vereinbarung zwischen KundeIn und SexarbeiterIn geht. Schon alleine, dass man in den meisten Bundesländern einen Betreiber braucht, um in der Sexarbeit arbeiten zu können, ist zu kritisieren. Die Vorstellungen der Frauen fest angestellt zu sein und die Realität driften hier sehr weit auseinander.
Tina Leisch: und Leiterin der Beratungsstelle PiA in Salzburg!
CHRISTINE NAGL: Zu viel des Ruhms! Heute ist auch meine Praktikantin, Samina dabei. Sie grüßt euch alle!
Tina Leisch: Liebe Katharina, warum gibt es denn in jedem Bundesland andre Bestimmungen und welche Gesetze gelten in ganz Österreich?
Tina Leisch: Guten Morgen, Frau Müller!
Katharina Beclin: @Gerald: Die Registrierungspflicht ist eine verwaltungsrechtliche Vorgabe, die aus einem staatlichen Kontrollbedürfnis heraus entspringt, das teilweise mit „Volksgesundheits“-Aspekten, teilweise aber auch mit der besonderen Gefahr begründet wird, der sich Prostituieret durch ihren Beruf aussetzen. Letzteres trifft vor allem auf Straßenprostituierte zu. Beide Argumente überzeugen aber nicht, da das Dunkelfeld im Bereich der Prostitution sehr groß ist, man also ohnedies auf diese Weise keinen verlässlichen „Überblick“ erhalten kann.
Gerald: Danke Frau Nagl für Ihre Antwort, die Frau mit der ich oft zusammen war hat in dem Lokal über jahre gearbeitet, ihrer eigenen Aussage nach hätte sie halt gerne Urlaubsgeld, bezahlten Krankenstand und den Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt. Es war ihre Wahl in einem Animierlokal tätig zu sein, wobei ich verstehen kann, wenn einige die Selbständigkeit bevorzugen
Tina Leisch: Guten Morgen, Lilith!
CHRISTINE NAGL: Gerald, zum Punkt Gesundheitsuntersuchung: Ich bevorzuge den Begriff Zwangsuntersuchung, weil es eine für die Frauen und Männer eine sehr diskriminierende Maßnahme ist, die man keiner anderen Bevölkerungs- bzw. Berufsgruppe zumuten würde.
Helga Amesberger: Die Prostitutionsgesetze in Österreich werden fast ausschließlich mit der öffentlichen Sicherheit und Ordnung begründet.
Tina Leisch: Guten Morgen, Sylvester!
Gerald: Dr. Amesberger: man geht also davon aus, dass die Gruppe der Sexarbeiterinnen keine gewöhnlichen Arbeitnehemer sind, dass von Ihnen eine dunkle Gefahr ausgeht
Gerald: denn wie wäre es wenn man eine beliebige Volksgruppe, sagen wir mal, zwingen würde, sich zu registrieren
Gerald: Frau Nagl, das ist klar, ich als Kunde positioniere mich klar gegen diese Zwangsuntersuchung.
Silvester: Guten Morgen allerseits! Zum Thema Bordellbetreiber muß man ja klar sagen das Sie nichts anderes sind als die sogenannten Neuen Zuhälter!
Helga Amesberger: dadurch dass Sexarbeit über Jahrhunderte illegalisiert war, haben sich Strukturen herausgebildet, die für die Polizei nicht einsichtig waren und daher hat man alle, die in diesem Geschäft tätig sind, gleich zu gefährlichen, die Sicherheit gefährdenden Personen abgestempelt
Tina Leisch: Gibt es denn außer der Registrierungspflicht und der Zwangsuntersuchung noch mehr Sonderregelungen, die Sexarbeiterinnen betreffen und für keine andre Berufsgruppe gelten?
Katharina Beclin: @Tina Leisch: Die unterschiedlichen Regelungen in verschiedenen Bundesländern sind darauf zurückzuführen, dass dieses Gebiet in die Länderkompetenz fällt, sodass jedes Bundesland in einem gewissen Rahmen selbst entscheiden kann, ob etwa Bordelle zulässig sind, und wo Sexarbeit ausgeübt werden darf. Das ist auch meines Erachtens nicht sinnvoll, weil uneinheitliche Regelungen zu Rechtsunsicherheit führen.
Gerald: Sylvester: warum? waeil sie die Hälfte der Einnahmen behalten? Laut ihnen, ist das Schmerzensgeld
Helga Amesberger: Das Problem mit den Bordellbetrieben ist, dass die österr. Landesgesetzgeber, Sexarbeit eigentlich ausschließlich in Bordellen zulassen und diese daher ziemliche Macht bekamen
Gerald: Dr. Amesberger: treffend gesagt, Danke!
CHRISTINE NAGL: Gerald, die Frau, mit der Sie zusammen waren, hat hierbei die Rechnung ohne den Wirt bzw. die Wirtin gemacht. All diese Privilegien (Urlaubsgeld, bezahlten Krankenstand, Anspruch auf Arbeitslosengeld) sind finanzielle Belastungen für die die BetreiberInnen sicher nicht aufkommen werden. In Salzburg gibt es unselbstständige Arbeitsverhältnisse in Animierbetrieben, was unter dem Strich bedeutet, dass die finanzielle Belastung für die Frauen größer geworden ist und im Gegenzug dazu es keine Rechte für sie gibt. Zum Thema BordellbetreiberInnen: Sie sind genauso verschieden wie WürstelstandbetreiberInnen nur was prinzipiell zu bemängeln ist, ist dass es für SexarbeiterInnen kaum möglich ist sich selbstständig zu machen. Und einige mächtige BetreiberInnen in Österreich das große Wort führen.
Helga Amesberger: Wäre die Ausübung von Sexarbeit in Wohnungen, auf der Straße, Hausbesuche erlaubt, dann hätten die Bordellinhaber_innen auch weniger zu reden.
Silvester: Genau das ist jah der Fehler! Wenn Sie selbständig arbeiten könnten, Wären Sie viel viel besser aufgestellT!!
lilith: Guten Morgen! Die Anerkennung als Erwerbstätigkeit würde nicht nur Sexarbeiterinnen mehr schützen, sondern auch die Begleitkriminalität und Menschenhandel reduzieren. In Österreich besteht ein umfassender Reformbedarf und diesbezüglich könnten die besten Entwicklungen aus Deutschland und Neuuseeland herangezogen werden.
Helga Amesberger: Aber so verursachen Gesetze Abhängigkeit bzw. verhindern Autonomie
Helga Amesberger: Stimme Lilith vollkommen zu, außer dass in Deutschland derzeit alles revidiert wird und das ursprüngliche Gesetz auf Landesebene nie umgesetz wurde
CHRISTINE NAGL: Entscheidend ist die Wahlmöglichkeit. Nicht jede/r SexarbeiterIn kann und will sofort selbstständig arbeiten. Aber um so großer die Konkurrenz an Arbeitsplätzen desto mehr müssten sich die BetreiberInnen an Spielregeln halten. Prinzipiell ist in Österreich zu bemängeln, dass zu wenig auf die Menschen gehört wird, die intensiv mit SexarbeiterInnen arbeiten bzw. selbst SexarbeiterIn waren oder sind.
lilith: Gerade die Tatsache, dass es in verschiedenen Ländern andere Regelungen gibt würde die bundesweite Implementierung auch bei einer Reform erschweren, wie auch in Deutschland.
Gerald: Frau Nagl, klar, die Bordellbetreiber kommen für die Lohnnebenkosten nicht auf. Warum ist es ihrer Meinung nach für Sexarbeiterinnen nicht möglich, als SElbständige zu arbeiten?
Helga Amesberger: Ja, das ist in der Tat das große Problem, dass Sexarbeiterinnen nicht gehört werden und in die Gesetzentwicklung eingebunden werden (so wie in Neuseeland). Das österreichische Gewaltschutzgesetz hat gezeigt, dass die Einbundung von Betroffenen und NGOs zu sehr guten Gesetzen führt
Gerald: Am wenigsten Kriminalität gibt es dort wo die Sexarbeit entkriminalisiert wurde.
Silvester: Genau! Profis die tagtäglich auf dieser Ebene zutun haben sollten wesentlich mehr einbezogen werden in diese Problematik!!
Katharina Beclin: @Gerald und Sylvester sowie Christine Nagl: Ich bin der Überzeugung, dass auch SexarbeiterInnen die Wahll zwischen angestelltem und selbständigen Arbeitsverhältnis haben sollten. Christine Nagl hat aber sicher Recht, dass das ohne arbeitsrechtliche Vorschriften, insbesondere ohne gesetzliche und oder kollektivvertragliche Regelung eines Mindestlohns derzeit kaum zu Verbesserungen für die Betroffenen führen würde.
CHRISTINE NAGL: Aufgrund der engen Landesgesetze ist es SexarbeiterInnen in Österreich kaum möglich Sexarbeit als selbstständige Arbeit (unabhängig von BetreiberInnen) auszuführen. Da Sexarbeit in den meisten Fällen nur in konzessionierten Betrieben erlaubt ist.
Gerald: Danke Frau Nagl, das ist eine enorme Einschränkung.
Silvester: Politiker sind fast immer auf den Holzweg! Bringen jah nichts weiter weil es eben ein für Sie recht unangenehmes Thema ist!!
Helga Amesberger: Neuseeland hat auch gezeigt, dass mit dem Zulassen von Hausbesuchen, Wohnungssexarbeit, Escort, die Macht der Bordellbetreiber_innen massiv gesunken ist und nun die Frauen und Männer in der Sexarbeiter viel häufiger alleine oder zu zweit arbeiten.
marianne mueller: Wir hier in Deutschland haben ja andere Gesetze als in Österreich, aber eine starke Lobby, die Prostitution generell verbieten will. Diese Lobby verweist auf die ausschließlich positiven Erfahrungen mit einem solchen Verbot in Skandinavien. Ich kann mir nun schlecht vorstellen, dass die skandinavischen Männer anders gepolt sind als im (bisherigen) Rest der Welt, aber aus den Medien ist keine objektive Berichterstattung zu bekommen. Haben Sie, als Expertinnen, Kenntnis von der realistischen Lage bezügl. Prostitution in Skandinavien, die ein totales Verbot auch für den Rest Europas empfehlen oder ablehnen würde?
CHRISTINE NAGL: Liebe Katharina, die Erfahrung in Deutschland hat gezeigt, dass SexarbeiterInnen die gesetzliche Möglichkeit unselbstständig zu arbeiten kaum bis gar nicht angenommen haben, und was hier vollkommen ausgeblendet wird, sind die zahlreichen Frauen und Männer, die Sexarbeit neben ihrer hauptberuflichen Tätigkeit oder Studium anbieten. Hierbei ist eine Anmeldung oder ähnliches überhaupt nicht möglich. Man sollte hierbei auch an die Stigmatisierung und Diskriminierung der Personen denken.
Silvester: jah was passiert denn? Sie werden noch mehr in die Illegalität gedrängt und bauen einen geheimen Kundenkreis auf!!
Gerald: was is mit denen die hauptberuflich mehrere jahre darin verbingen? Ausserdem ist es Schwarzarbeit!
Helga Amesberger: Das Problem der Anti-Lobby ist, dass sie Fakten einfach ignorieren. Die jüngste offizielle Evaluierung des schwedischen Sexkaufverbots hat gezeigt, dass sich aber gar nichts geändert hat. Weder die Anzahl der Sexarbeiterinnen noch die Anzahl der Kunden. Problematischer wurde es für die Sexarbeiterinnen, weil verstärkt der Denunziation ausgesetzt, problematische Position in rechtlichen Angelegenheit (erhalten oft Obsorge für Kindernicht), können jederzeit aus der Wohnung geschmissen werden etc
Katharina Beclin: Die Evaluierung des „Schwedischen Modells“ hat gezeigt, dass – wenn überhaupt – am ehesten der Straßenstrich (teilweise) verdrängt wurde. Gerade am Straßenstrich haben SexarbeiterInnen aber am ehesten die Chance, ohne Kapitaleinsatz und ohne Abhängigkeit von einer anderen Person ihrer Arbeit nachzugehen.
CHRISTINE NAGL: FreierInnenbestrafung ist Hurenbestrafung! Das schwedische Modell nenne ich prinzipiell nur die schwedische Menschenrechtsverletzung. Liebe Helga wir wissen sogar, dass sich die Gewalt gegen Frauen in Schweden verstärkt hat und das Bild der SexarbeiterInnen in der Bevölkerung schlechter geworden ist, d.h. es hat einen Negativeffekt gegeben.
Helga Amesberger: gleichzeitig sagt, der schwedische Bericht auch, dass der Straßenstrich nicht ausschl. auf das Gesetz zurückzuführen ist, sondern auch auf die technologischen Entwicklungen (Handy, Internet)
Katharina Beclin: @Gerald: Ja, unter KriminologInnen - zu denen ich ja zähle – ist es klar herrschende Meinung, dass die Missstände rund um die Prostitution zu einem großen Teil auf die Diskriminierung der Prostituierten und ihre prekäre rechtliche Situation zurückzuführen sind, und dass eine Kriminalisierung von Sexarbeit die Situation der Betroffenen weiter verschlechtert!
Silvester: Genau Frau Nagl!
CHRISTINE NAGL: Liebe Katharina, der Straßenstrich ist in Schweden nicht verdrängt worden, sondern hat sich nur verlagert - in Bereiche, die wir kennen aber wir hier nicht benennen wollen.
Helga Amesberger: Ja, Christine, körperliche wie strukturelle Gewalt gegen Sexarbeiterinnen hat sich erhöht. Außerdem sind alle Gesundheitsprogramme für Sexarbeiterinnen und Kunden zurückgefahren worden
Gerald: Dr. Beclin, Dr. Amesberger: gibt es in Österreich derzeit Stimmen, die für ein Verbot bzw. für die Freierbestrafung nach scwed. Modell sind?
Gerald: Stimmen in der Politik..
Helga Amesberger: ja, @Gerald, leider gibt es solche. Das ist eine Allianz aus einer Gruppe von Feministinnen und katholischen Organisationen
Katharina Beclin: Liebe Christine! Ich habe ja geschrieben: wenn überhaupt, dann nur am Straßenstrich. Und es ist klar, dass die Sichtbarkeit zurückgeht, wenn man/frau sich verstecken muss! Ich glaube auch nicht an einen Rückgang!
CHRISTINE NAGL: Lieber Gerald, zum Thema FreierInnenbestrafung empfehle ich dir als Lektüre das Salzburger Fenster von der letzten Woche. Es genügt sich mit einer Frau vom Straßenstrich zu unterhalten, um gestraft zu werden. Bis jetzt bestraft man in Österreich KundInnen aus dem illegalisierten Bereich.
Gerald: Vielen Dank Dr. Beclin, endlich eine intelligente Antwort die sich nicht von Ressentiments und Klischees leiten lässt sondern auf Fakten basiert!
CHRISTINE NAGL: Mir ist es klar, dass es dir klar ist liebe Katharina, aber vielleicht nicht allen UserInnen/LeserInnen.
lilith: Schweden zielt längerfristig auf totale Abschaffung der Prostitution. Durch diese Politik werden die Sexarbeiterinnen offensichtlich mehr als vorher ausgebeutet. Dieses Modell sollte in Österreich nicht als Vorbild gelten!
CHRISTINE NAGL: Das kann ich nur unterschreiben, liebe lilith.
Gerald: Abschaffen der Sexarbeit dabei immer weniger Arbeitsplätze und Arbeit von der man leben kann
Silvester: Völlig Richtig @lilith! Ist doch nicht zeitgemäß!
Helga Amesberger: ja, das wäre schlimm. Derzeit vertraue ich noch immer auf den politischen Pragmatismus, aber die Antis lobbyieren ganz stark und wir müssen dem auch etwas entgegenhalten.
lilith: Was muss passieren, damit Sexarbeiterinnen in die gesetzliche Entwicklungen einbezogen werden?
Silvester: Politiker und Genossen richten sich's ja immer! Sind ja selbst Die größte Gruppe die in Bordellen anzutreffen sind und sich in der Annoymität verstecken!!
CHRISTINE NAGL: Man sollte endlich akzeptieren, dass Sexarbeit ein Wirtschaftszweig ist wie jeder andere, aber dass SexarbeiterInnen noch nie Rechte und Anerkennung seitens der Gesellschaft bzw. der Politik bekommen haben. Man sieht sie entweder als Opfer, fremdgesteuert, krank, arm und als keine vollwertigen MitgliederInnen unserer Gesellschaft an.
Tina Leisch: Welche (Sonder-)Gesetze sind denn notwendig? Welche Gesetze wünschen sich SexarbeiterInnen selber?
marianne mueller: Danke für eure aufschlussreichen Antworten. Auch ich halte das schwedische Modell für weltfremd und die positiven Aussagen unserer (deutschen) Feministinnen für völlig unverständlich und unfeministisch, weil sie keine Hilfestellungen für ihre Schwestern sind, sondern eine Berufsgruppe völlig von der feministischen Fürsorge ausschließen. Mit dieser Meinung ecke ich aber in Deutschland scharf an..
Helga Amesberger: meines Erachtens soll es gar keine Sondergesetze geben, dass trägt nur zur Beibehaltung des Stigmas bei
Silvester: Bravo Frau Nagl!! Selbständiger Wirtschaftszweig!! Rahmenbedingungen Endlich Schaffen!
CHRISTINE NAGL: An lilith: Das größte Problem ist, dass Hurenstigma (schau dir mal an was Brigitte Obrist dazu zu sagen hat). Solange es das gibt wird es schwer möglich sein, dass SexarbeiterInnen ihre Stimme erheben.
Gerald: stimme Helga Amesberger zu
Gerald: Tna Leisch und Christine Nagl: die Journalisten befragen oft sehr junge SExarbeiterinnen, man sollte vielmehr erfahrene Leute einbinden und befragen, die Lebenserfahrung haben, auch Ehemalige
Helga Amesberger: wir haben außerdem gute Strafgesetze, die ausreichend für den Schutz von allen Frauen und Männern (nicht nur jene in der Sexarbeit) sein sollten
Helga Amesberger: daher keine Sondergesetze
Tina Leisch: Liebe Frau Müller, immerhin hat der deutsche Bundesrichter Fischer in seiner Zeit Kolumne dazu klar Stellung bezogen. Aber es wäre eben wichtog, dass viele
lilith: Erwünscht sind bestimmt Gesetze, die Sexarbeiterinnen in das Sozialversicherungssystem einbinden, also arbeitsrechtliche Gesetze und auch strafrechtliche Normen, die diese Arbeiterinnen schützen und nicht kriminaliesieren.
Tina Leisch: Menschen einfach aus Parteinahme für die Menschenrechte sich da mit den SexarbeiterInnen solidarisieren.
Helga Amesberger: ja, @lilith. wie Kathi Beclin oben auch gesagt hat, die Wahlmöglichkeit soll gegeben sein und die arbeits- und sozialrechtliche Gleichstellung braucht es.
CHRISTINE NAGL: Lieber Gerald, auf welche JournalistInnen bzw. Interviews beziehst du dich? Welche Quelle ziehst du heran?
Gerald: in Fernsehdokumentationen
CHRISTINE NAGL: In Fernsehdokus sieht man oft SexarbeiterInnen, die von den BetreiberInnen vorgeschoben werden.
Silvester: Mit Sicherheit ist das so!!
Tina Leisch: Im Moment geht es in Deutschland vor allem darum, die Zumutungen des neuen Gesetzesentwurfes zurückzuweisen.
Tina Leisch: Dafür brauchen die Organisationen der SexarbeiterInnen Unterstützung aus der Bevölkerung.
CHRISTINE NAGL: Gerald, schau doch auf meine Facebook Seite, wo ich Interviews sowohl mit Bezug auf Österreich als auch International hochlade.
Silvester: Warum dieser Vergleich ! Mir geht's um Österreich!!
CHRISTINE NAGL: Liebe Silvester, es ist dennoch wichtig sich den internationalen Vergleich anzusehen und vergiss nicht, SexarbeiterInnen sind sehr mobil und arbeiten in verschiedenen Ländern.
Gerald: Christine Nagl, Danke! werde ich machen!
Herbert Gnauer: Was genau sehen die neuen Regelungen in Deutschland vor?
Gerald: und Gesetze vor allem aus D schwappen mesitens in kürzester Zeit hierüber
Helga Amesberger: Registrierungspflicht und Test auf Zurechnungsfähigkeit
Silvester: Liebe Fr. Nagl Sie haben jah Recht! Doch sollte Österreich Die Rolle eines Vorreiters sein!!
Helga Amesberger: für Sexarbeiterinnen
Katharina Beclin: Ich fürchte die (Anti-) Sexarbeitspolitik in Schweden ist von (versteckten) Ressentiments von „FeminisitInnen“ gegen SexarbeiterInnen getragen, die letzteren die Schuld an der strukturellen Ausbeutung und Abwertung von Frauen geben und nicht erkennen, dass in Wahrheit der Umgang mit Sexarbeiterinnen nur eine Spiegel des gesellschaftlichen Umgangs mit vielen Frauen ist.
Katharina Beclin: Im Zuge der Evaluierungsstudie zur schwedischen Novelle, die auch die Freierbestrafung in Schweden brachte, wurde sogar dezidiert eingestanden, dass es durch die Novelle zu Verschlechterungen für SexarbeiterInnen kam; das sei aber in der Übergangsphase in Kauf zu nehmen, weil die Abschaffung der Sexarbeit als so wesentliches Ziel gesehen wird. Dabei wird völlig ignoriert, dass Prohibition NOCH NIE ein vergleichbares Problem lösen konnte, sondern es im Gegenteil immer verschärft hat. Egal ob die Alkoholprohibition oder die Suchtgiftprohibition. Wo Angebot und Nachfrage groß sind, wird es immer einen Markt geben. Wenn man die Markt in den Untergrund verdrängt, erhöht man nur die Gefahr und die Ausbeutung der Schwächeren (hier der SexarbeiterInnen) und vergrößert die Gewinnspanne der Ausbeuter!
marianne mueller: Hallo Silvester, dir gehts um österreich, mir gehts um die Situation der exarbeiterinnen. Und wenn ein Land in Europa Gesetze schafft, die so gut sind, dass sie von anderen Ländern als vorbildlich und nachahmenswert gesehen werden, dann ist der Ländervergleich eben wichtig.
Helga Amesberger: in Ö ist zwar einiges besser als im Vergleich zu skandinavischen Ländern, aber Vorbild nein. Vorbild sollte Neuseeland sein oder New South Wales in Australien
Gerald: einerseits EU und Freizügigkeit, andererseits jeder Staat sein eigenes Gesetz.
CHRISTINE NAGL: Momentan sieht die Situation in Österreich wie folgt aus: FreierInnen sind zutiefst verunsichert (Belegpflicht, usw.). Das Geschäft hat in den legalen Bordellen stark nachgelassen. Ich habe den Eindruck, dass Prostiution in Österreich in absehbarer Zukunft nicht verboten wird, aber die Rahmenbedingungen so schlecht werden, dass Frauen und Männer im illegalisierten Bereich arbeiten werden.
Helga Amesberger: jedes EU-land seine eigenen Gesetze gilt nicht nur für Sexarbeit
Katharina Beclin: Liebe Helga, wo findet man Infos zur Politik in Neuseeland sein oder New South Wales in Australien?
Silvester: Ich meinte eben Vorbildlich im Sinne von Neuseeland!!
Tina Leisch: Aber leider sind es im Bereich der Sexarbeit eben oft nicht die Vernunft, die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien, die die Politik bestimmen, sondern es wird politischer Druck durch die Mobilisierung von Ängsten und moralischen Vorurteilen gemacht.
CHRISTINE NAGL: Die Informationen sind auch auf meiner Facebook Seite zu finden. Gerade vor kurzem gab es einen aktuellen Bericht dazu. Ich kann ihn dir gerne heraussuchen.
Helga Amesberger: ich kann was auf der website der lustwerkstatt hochladen; dann rose alliance googlen zu Australien oder New Zealand Prostitution Collective
CHRISTINE NAGL: Ich beziehe mich hiermit auf Neuseeland, liebe Katharina.
Katharina Beclin: Danke, Christine, ich werde es dort nachlesen!
Helga Amesberger: @Kathi: kann dir gerne auch was schicken
Katharina Beclin: Danke!
Tina Leisch: Sonst wäre es ja nicht möglich, dass eine Regelung wie die Zwangsuntersuchung, deren Einführung in Belgien durch den Instanzenweg zu den europäischen Rechtsinstituen verhindert werden konnte, und gegen die in Österreich die NGOs saeit jahren protestieren, nun in Deutschland eingeführt werden soll. Völlig irrational.
lilith: Wenn WissenschaftlerInnen wie Frau Prof. Beclin die Gelegenheit haben ihre Ansichten mehr in den Medien und in der Öffentlichkeit kundztun und die Problematik aus der wissenschaftlichen perspektive durchleuchten, könnte die Gesellschaft dazu bewegt werden von dieser Doppelmoral und Vorurteilen wegzukommen.
CHRISTINE NAGL: Liebe Tina, die Zwangsuntersuchung wird nicht eingeführt, weil sich dort die Aidshilfen, das Robert Koch Institut als auch der Deutsche Ärztebund massiv dagegen positioniert haben.
Silvester: Das ist völlig richtig Fr. Nagl
CHRISTINE NAGL: Liebe lilith, du hast völlig Recht. Es würde dringend einer Veranstaltung bedürfen.
CHRISTINE NAGL: Mit Dr. Beclin?
Katharina Beclin: Ich wäre dabei!
Helga Amesberger: Viele Wissenschafterinnen (in Ö und international) tun das, aber sie werden nicht gehört, genau so wenig wie Sexarbeiterinnen (jüngstes Beispiel Frankreich). Da wird moralisierende Politik gemacht und Fakten zählen da nicht
CHRISTINE NAGL: Was heißt wäre? Bin!
marianne mueller: Ich muss jetzt leider zur Arbeit, aber ich wollte euch sagen, euer chat ist total spannend und informativ, ich werde heute abend eure info-vorschläge studieren. Danke und viel Erfolg!
CHRISTINE NAGL: Liebe Marianne, danke für dein Interesse. Sind wir vernetzt?
Herbert Gnauer: Was genau sehen die neuen Gesetze in Frankreich vor?
lilith: @helga Ja aber trotzdem muss es öfter versucht werden. Das ist immer so, wenn Rechte errämpft werden.
Tina Leisch: Danke für die Teilnahme, Frau Müller und schönes Wochenende.
Helga Amesberger: Kundenbestrafung!
Herbert Gnauer: Also wurde in Frankreich das schwedische Modell übernommen?
Helga Amesberger: @Lilith: ja, das sehe ich eh auch so, nur ist das ein langer mühsamer und oftmals nicht von Erfolg gekrönter Kampf. Sorry für den Pessimismus.
lilith: Nein, in FR bestrafen sie die Sexarbeiterinnen
Helga Amesberger: @Herbert: ja genau; natürlich nicht 1:1
Katharina Beclin: @Helga: Habe ich da vorhin richtig geselen: Zurechnungsfähigkeitstests für SexarbeiterInnen??? Gibt es so eine Vorschrift in irgendeinem anderen Bereich?
Helga Amesberger: @lilit: nein, Sexarbeiterinnen werden offiziell nicht bestraft, außer sie bahnen Sex offensiv an.
CHRISTINE NAGL: Man hat meinen lieben Kollegen Thierry Schaffhauser körperlich verletzt als er Aktivismus betrieb (friedlich) und dabei Kondome verteilte.
CHRISTINE NAGL: Liebe Katharina, in Deutschland wird man einen Hurenpass einführen, der gekoppelt an eine Zwangsberatung ist, wo es um die Einsichtsfähigkeit der SexarbeiterInnen geht.
Helga Amesberger: @Kathi: ich weiß noch nicht wie die Tests konkret aussehen. In den NL - ich glaub in Den Haag gibt es auch so eine Zwangsberatung, bei der herausgefiltert werden soll, ob sie eh nicht gehandelt sind. Dabei gibt es negativpunkte, wenn man nicht Holländisch oder Englisch spricht
Helga Amesberger: und wenn als Sexarbeiterin auf diese Negativliste kommt, hat man praktisch keine Chance mehr in Den Haag legal zu arbeiten.
Katharina Beclin: Das ist ja unglaublich! Ist den Verantwortlichen nicht klar, dass dann wirklich beeinträchtige Personen, die besonders leicht ausgebeutet werden können, dann gleich von vornherein in die Illegalität gedrängt werden
Helga Amesberger: weil kein Bordellbetreiber oder Schaufenstervermieter_in dich dort arbeiten lässt, aus Angst das Lokal könnte geschlossen werden wg Verdacht auf Menschenhandel
Gerald: Sexarbeiterinnen werden offensichtlich überall ausser Neuseeland und AUS wie Entmündigte behandelt
Herbert Gnauer: Leider gibt es keine keine Feststellung der Einsichtsfähigkeit von Politiker*innen
Gerald: :)) Herbert Gnauer! Und keine Berufsberatung
CHRISTINE NAGL: In Österreich gibt es überdies eine Blacklist mit den Daten von SexarbeiterInnen , die von Betreibern geführt wird
Katharina Beclin: Eine verpflichtende Beratung kann ja sinnvoll sein, aber nur um Unterstützungsbedarf festzustellen und entsprechende Unterstützung (z.B. Kurse in der Landessprache oder Selbstverteidigungskurse oder rechtliche Informationen) bereitzustellen...
Helga Amesberger: ja, offensichtlich ist das so liberale Niederlande von der Menschenhandelshysterie eingeholt worden; nicht zuletzt auch deswegen, weil es tatsächlich einen sehr argen Fall (Dürdan-Fall) gegeben hat. Aber das was man daraus gelernt hat, ist nur in Maßnahmen umgesetzt worden, die wieder den Sexarbeiterinnen schaden und nicht den Menschenhändlern
CHRISTINE NAGL: Mir gefällt das Wort verpflichtend nicht , denn man wird so nichts erreichen .....
Katharina Beclin: @Christine: Ja, ein Angebot wäre natürlich noch besser...Was ist das für eine Blacklist? Da stehen wohl kaum die ausbeutungsgefährdeten Sexarbeiterinnen darauf?
Helga Amesberger: gehe mit Christine in Bezug auf verpflichtend d'accord. eine Verpflichtung würde auch jeder sozialarbeiterischen Grundsätzen widersprechen
CHRISTINE NAGL: Nein SexarbeiterInnen die mit NGOS sprechen , vorzeitig abreisen , sich gegen Ausbeutung verwehren .....
Herbert Gnauer: Wenn das Angebot gut genug wäre, würde es ja vielleicht freiwillig angenommen werden.
Katharina Beclin: @Christine: Hab ich mir fast gedacht!
Herbert Gnauer: Würdet ihr eine vorgeschriebene Ausbildung für Sexarbeit begrüßen, wie es sie auch für viele andere Berufsgruppen gibt?
Helga Amesberger: vorschreiben würde ich nichts. Professionalisierung findet durch on-the-job-training und durch Kolleginnen statt. Aber ein gutes Angebot an peer to peer-Einstiegsberatung wäre notwendig - frewillig, nicht verpflichtend
CHRISTINE NAGL: Es wird angenommen ,glaub mir es . Aber da fängt es ja aschon wieder an . Diese Beratung sollten ausschließlich Profis durchführen dürfen . Das heißt ehemalige oderaktive erfahrene SexarbeiterInnen !!!!!!!!
Katharina Beclin: @Christine: Ja, das ist sicher richtig!
Tina Leisch: Wie sehen denn die ExpertInnen die Sperrbezirkregelungen? Das ist ja auch eine Sonderreglung oder gibts sowas für andre Berufe auch?
Katharina Beclin: Ich habe allerdings von NGOs, die Sexarbeiterinnen beraten gehört, dass manche gar nicht erfreut waren, dass sie sich nun seltener untersuchen lassen müssen, da damit immer zusätzliche Freizeit verbunden war.
lilith: Die Beratungen können diskutiert werden erst wenn es Gesetze zum Schutz der Sexarbeiter erlassen werden.
CHRISTINE NAGL: Ich lehne übrigens diese Peers -Angebote ab , da sie zu schlecht bezahlt werden
Katharina Beclin: Auf nochmalige Nachfrage hat sich dann gezeigt, dass das nur seltene Meinungen waren ... vermutlich von jenen, die bei zuvorkommenden Bordellbetreibern abreiten? Andrere lassen ja möglicherweis die Sexarbeiterinnen die verlorene Zeit einarbeiten?
Helga Amesberger: @zusätzlicher Freizeit???? Die Sexarbeiterinnen, die wir interviewt haben, haben im Gegensatz dazu immer angeprangert, wie viel Freizeit vergeudet wird mit den elends langen Wartezeiten auf der STD-Ambulanz (ca. 3 Std. pro Woche), das mal 56; da kommt eine stramme Summe raus, nicht?
Gerald: Christine Nagl: das heisst, in diesen Beratungsstellen arbeiten kaum ehemalige SExworker? sie holen sich Peers auswärts?
Helga Amesberger: in wien bislang auch das problem, dass die Untersuchungen nur Vormittags gemacht werden konnten, was für Frauen, die nachts arbeiten, besonders hart ist.
Herbert Gnauer: Soweit ich weiss, finden die Untersuchungen morgens bzw. vormittags statt, vermute das ist nicht gerade die Rush-Hour in der Sexarbeit. Inssofern scheint mir die Behauptung der verlorenen Freizeit bissl seltsam.
Gerald: zurück zum Thema: ENT/KRIMINALISIERUNG
Helga Amesberger: @christine: dein Argument versteh ich nicht.
Katharina Beclin: Eine verpflichtende Beratung hätte vielleicht auch den Vorteil, dass dewegen niemand auf eine Blacklist käme? Ja, lilith, vor einer weiteren Auflage müsste der Gesetzgeber jedenfalls einmal als Vorleistung geeignete Arbeitsschutzvorschriften erlassen!
CHRISTINE NAGL: Lieber Gerald, immer wenn ich mit meinen KlientInnen über die Arbeitsbedingungen im NGO Bereich spreche, dann können sie kaum verstehen wie man so arbeiten kann (Bezahlung, Anforderungen). Ich kenne in den Beratungsstellen kaum eine ehemalige oder noch aktive SexarbeiterIn in Österreich und eine kenne ich sehr gut. Sie würde sich aber niemals outen, weil man dann ihre Kompetenz untergraben würde.
Helga Amesberger: @gerald: diese Untersuchungen sind Teil der Kriminalisierung von Sexarbeit und haben massiven Einfluss auf die Arbeitsbedingungen
Katharina Beclin: Als Kriminalisierung sollte man das nicht bezeichnen, da die Verletzung der Untersuchungspflicht ja nicht zu kriminalstrafrechtlichen Sanktionen führt.
Helga Amesberger: ja stimmt, deswegen auch unter Anführungszeichen, weil es die bösen Sexarbeiterinnen sind, die Kunden anstecken;
Katharina Beclin: Aber die Untersuchungspflicht ist Teil der Prohibitionspolitik und somit der Stigmatisierung!
Katharina Beclin: Das sollte ein normales P sein!
CHRISTINE NAGL: Liebe Katharin, die Blacklist ist eine Maßnahme, die dem Datenschutz (Menschenrecht) widerspricht und wäre Angelegenheit der Justiz diese zu verbieten. Verpflichtende Maßnahmen treffen nur SexarbeiterInnen im sogenannten legalen Bereich. Freiwillige Angeboten erreichen jede/jeden und sind daher nachhaltiger.
Herbert Gnauer: Spielt Sexarbeit in der Kriminalistik eine Rolle?
Helga Amesberger: aber irgendwie passend :)
Helga Amesberger: was meinst du mit Kriminalistik?
Gerald: Diese Zwangsuntersuchung könnte einige Sexarbeiterinnen davon abhalten, sich überhaupt anzumelden. Sie haben ihren eigenen Frauenarzt zu dem sie gehen, das ist doch so was Intimes,
Herbert Gnauer: Katharina Beclins Fachgebiet meine ich mit Kriminalistik.
Helga Amesberger: @Gerald: ja, das ist in der Tat so. Sexarbeiterinnen handeln eigenverantwortlich und achten sehr auf ihre Gesundheit.
Herbert Gnauer: Daher richtet sich die Frage auch an sie.
CHRISTINE NAGL: Peers übernehmen die Tätigkeit von NGO´s? Ich finde, dass SexarbeiterInnen verstärkt in den NGO´s eingesetzt werden sollten und zwar mit gerechter Bezahlung. Auf diese Weise hätte man ExpertInnen im Team.
CHRISTINE NAGL: Lieber Gerald, die KontrollärztInnen sind ausnahmslos DermatologInnen und nicht FrauenärztInnen. Man spricht den Frauen jegliche Selbstverantwortung und Mündigkeit ab.
Helga Amesberger: Ah, okay jetzt versteh ich. für mich sind reine Peer-Organisationen notwendig, was aber nicht heißt, dass sie ngos ersetzen sollen. Außerdem finde ich auch, dass peers in den ngos verstärkt mitarbeiten sollten
Katharina Beclin: Strafrechtlich bzw. für die Kriminologie wird die Sexarbeit (abgesehen von den Forderungen nach Kriminalisierung) erst dort Thema, wo es zur Ausbeutung kommt, als (kaum vorhandene) arbeitsrechtliche Vorschriften massiv und über längere Zeit hindurch verletzt werden, weil dann gerichtliche Straftatbestände greifen, oder aber wenn es zu klassischer Gewalt oder Sexualkriminalität kommt, wie sie jeden treffen kann, aber offenbar doch (gerade wegen der Illegalisierung und Diskriminierung) verstärkt SexarbeiterInnen trifft.
Helga Amesberger: als Forderung an NGOs und nicht an Sexarbeiterinnen
Helga Amesberger: das reine von oben nehme ich zurück
CHRISTINE NAGL: Ich habe stark den Eindruck, dass NGO´s auf Peers oder PraktikantInnen zurückgreifen MÜSSEN, damit die Anforderungen zumindest im Teilbereich geleistet werden können. NGO´s, die SexarbeiterInnen in ihren Rechten stützen, sind in letzter Zeit finanziell sehr stark beschnitten worden (Politik?).
Helga Amesberger: bin ganz deiner Meinung, Christine!
Tina Leisch: 12:25 Tina Leisch: Wie sehen denn die ExpertInnen die Sperrbezirkregelungen? Das ist ja auch eine Sonderreglung oder gibts sowas für andre Berufe auch?
CHRISTINE NAGL: Danke liebe Helga, ich weiß wir verstehen uns!
Katharina Beclin: Bzw. Zuhälterei wird gemäß § 216 StGB schon mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe bedroht, wenn jemand mit dem Vorsatz, sich aus der Prostitution einer anderen Person eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, diese Person ausNÜTZT
Katharina Beclin: Das ist allerdinsg fast zu weit, da danach auch Partner von Prostituierten verfolgte werden könnten, die arbeitslos sind und sich bloß aushalten lassen, ohne aktiv die Frau zur Sexarbeit zu drängen...
Helga Amesberger: ad Sperrbezirkregelung: bin vollkommen dagegen, weil ich keine positiven Side-effects kenne. da sind die Regelungen in Ö schon besser; aber ich lasse mich gerne eines besseren belehren.
Herbert Gnauer: Diese Definition müsste doch auch die Tätigkeit von Laufhaus bzw. Bordellbetreiber*innen als Zuhälterei einschließen. Aber eben diese sind ja vom Gesetz her geradezu vorgeschrieben, oder verstehe ich was falsch?
CHRISTINE NAGL: Liebe Katharina, das Grundproblem, das wir in Österreich haben, ist, dass Frauen und Männer in der Sexarbeit (da sind sie aber auch nicht alleine) kein Vertrauen in die VertreterInnen unserer Exekutive haben. Ich denke dies ist das Grundübel und solange wir dieses nicht beseitigt haben, können wir Gesetze zitieren - es bringt den Betroffenen nichts.
Tina Leisch: Gibt es in Österreich keine Sperrbezirksverordnung?
Katharina Beclin: Ich weiß, Chrsitine, ich habe eine Frage beantwortet!
Tina Leisch: Ich dachte fast ganz Wien ist Sperrbezirk?
Helga Amesberger: ad Zuhälterei: aber es gibt nicht sehr viele Strafverfahren, oder? Problem für die Justiz/Polizei, es fehlen ihnen die Zeuginnen.
Gerald: Völllig richtig, herbert, Bordellbetreiber leben davon, in den Lokalen wo ich war kostet Flasche Sekt 120€, Frauen bekommen 15
CHRISTINE NAGL: Warum fehlen ZeugInnen? Weil das Vertrauen in die Polizei fehlt und weil man sich nicht selbst belasten und gefährden möchte (zum Beispiel im illegalisierten Bereich).
Katharina Beclin: @Herbert Gnauer: Leider fallen auch unseriöse und ausnützende Bordellbetreiber oft heraus, weil sie eine Gegenleistung vorbringen können, für die sie dann Geld von den Prostituierten zu Recht kassiert hätten, wie das zur Verfügung gestellte Zimmer oder den Personenschutz
Gerald: Christine Nagl: In der Bar (ich kenne Straßenprostitution nicht) hatten Frauen sehr wohl Vertrauen in die Polizei!
Helga Amesberger: wir haben in Wien eine Sperrbezirkverordnung dahingehend, dass die Anbahnung im öffentlichen Raum nur mehr außerhalb des Wohngebiets erlaubt ist; in Vorarlberg ist das ganze Bundesland Sperrbezirk, weil es dort eine Bedarfsprüfung für Bordelle gibt und Vorarlberg bislang auf dem Standpunkt steht, einen solchen gibt es nicht
Herbert Gnauer: Wo liegt die Grenze zwischen dem Betrieb eines Bordells/Laufhauses und Zuhälterei? In beiden Fällen verschafft sich jemand fortlaufende Einnahmen.
lilith: @Tina meins du das Wohngebietvervot?
Gerald: Ich kenne einige Fälle guter Zusammenarbeit (Diebstahl seitens Dritter)
Helga Amesberger: ad fehlende Zeuginnen; ja, auch weil Vertrauen fehlt, aber auch weil die Frauen, jene, die von anderen gerne als Zuhälter definiert werden, nicht als solche sehen.
CHRISTINE NAGL: @ Vertrauen in die Polizei: Kann es sein, dass die Polizei öfters dort zu Gast war?
Tina Leisch: @lilith, ja, genau
Gerald: Christine Nagl: nicht öfter als nötig.
CHRISTINE NAGL: Was heißt das konkret, Gerald?
lilith: gesetzlich verbotene Standorte: reine „Wohngebiete“, „gemischte Baugebiete“, „Kleingartengebiete“, „Haltestellenbereiche“ oder „Gartensiedlungsgebiete“
Katharina Beclin: Zu den Sperrbezirken: Ich halte diese für entbehlich, ich finde es sollte nur (Konfrontations-)Schutzzonen rund um Schulen, Kindergärten und - von mir aus - Kirchen geben, aber natürlich nur zu Zeiten des Schulbetriebs oder von Gottesdiensten
Herbert Gnauer: @Sperrbezirk: Ist Anbahnung in Wien nicht auch im Umkries von Schulen, Kindergärten und anderen Jugendbetreuungsstätten untersagt? Davon gibt es naemlich so viele, dass damit de facto ohnehin ein flächendeckendes Verbot bestünde.
Gerald: umgekehrt haben Frauen nicht gezögert, zur Polizei zu gehen, wie gesagt bei Diebstahl (Gauner, die sich als Kunden tarnen und ins Lokal gehen, wie übrigens in jedem anderen Lokal vorkommen kann
Gerald: was
Gerald: vielleicht ist es in Wien anders als in Salzburg, kenne mich nicht aus
Katharina Beclin: Das sollte nur eine Klammer ( sein!
CHRISTINE NAGL: Es gibt die Schutzzonen (Bannmeile) auch rund um Friedhöfe.
Helga Amesberger: im alten wiener gesetz gab es diese Verbotszonen, dass im Umkreis von 150 m von Schulen, Friedhöfen, Altersheimen etc. keine Bordelle sein durften und auch keine Anbahnung im öffentlichen Raum. die Straßensexarbeit ist gänzlich verbannt worden aus dem Wohngebiet u. für Bordelle gilt Regelung meines Wissens nicht mehr; müsste aber nochmals nachschauen
Katharina Beclin: Ist die Sperrbezirksregelung in Wien wieder gelockert worden? Ich dachte, die Ausübung der Straßenprostitution ist nur noch an ganz wenigen Orten erlaubt? Stichwort: Westausfahrt, wo es weit und breit keine sanitären Anlagen gibt?
CHRISTINE NAGL: Ich beschränke meine Tätigkeit nicht nur auf Salzburg und ich bin speziell für sexworker.at in ganz Österreich tätig. Hierbei ist mir die Exekutive als Agent-Provokateur (Fangkunde) oder auch fleißig fotografierend über den Weg gelaufen. Den SexarbeiterInnen wurde dann erklärt, dass die Fotos dazu dienen bei der Identifikation eines Mordfalles verwendet zu werden.
Katharina Beclin: Das ist ja schrecklich zynisch!
Gerald: was soll die Schickane, sowas höre ich zum ersten Mal.
Gerald: was war deren Vergehen? in einer Verbotszone angebahnt zu haben?
Helga Amesberger: ad Anbahnung im öffentlichen Raum: nach wie vor gilt, nur außerhalb des Wohngebiets; dazu gab es dann schließlich eine Verordnung für den Bereich im 23. Bezirk, der die Anbahnung zeitlich auf die Nachtstunden einschränkte; und eine weitere Verordnung, die die Anbhanung im Prater verbietet.
Tina Leisch: Liebe TeilnehmerInnen, vielen Dank für die rege Beteiligung! Der nächste Chat ist am Dienstag, den 10.Mai von 13-15 Uhr. Wäre fein, Euch/Sie wieder hier begrüßen zu dürfen.
CHRISTINE NAGL: Dieser Zynismus bestärkt mich tagtäglich weiter zu kämpfen und vieles kann Probleme verursachen, wenn man es laut ausspricht.
Helga Amesberger: d.h. prinzipiell sind alle Industriegebiete und Grünzonen für Straßensexarbeit erlaubt
Katharina Beclin: Danke!
Helga Amesberger: Hoffentlich wieder bis bald!
Katharina Beclin: Bis Bald!
Tina Leisch: Schönes Wochenende !
lilith: Danke auch allen!
Silvester: Bis Bald!
Herbert Gnauer: Auch von mir Danke an alle!
CHRISTINE NAGL: Kurze Erläuterung: der erste Fall eines Agent-Provokateurs war in Vorarlberg. Der zweite fand in Salzburg statt. Es handelt sich um Anbahnungen im Hotel und die Fotos wurden in legalen Laufhäusern geschossen! Schönes Wochenende wünschen Christine Nagl und Samina Smajilbasic
Gerald: Der Kampf geht weiter! Ich unterstütze Sexarbeiterinnen in ihrem Kampf für die Rechte und für die Entkriminalisierung wo ich kann!
Tina Leisch: Danke, Gerald.