Escort, Sado Mistress, ehemalige Bordellinhaberin
Persönliche Entwicklung
Menschen, die in ihrem Leben schlechte Erfahrungen im sexuellen Bereich gemacht haben und nicht mit beiden Beinen im Leben stehen, sind für diesen Job nicht geeignet. Ich kann nicht Friseurin werden, wenn es mich eigentlich vor Haaren graust.
Ich kritisiere, dass Betreiber überhaupt keine Fähigkeiten nachweisen müssen um ein Bordell zu eröffnen. Bis auf einen Haufen Geld und ein Führungszeugnis. Was ein polizeiliches Führungszeugnis wirklich damit zu tun hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Von einem Bäcker wird beispielsweise verlangt, dass er zumindest eine Semmel gebacken hat, wenn er eine Bäckerei eröffnen will. Bordelle sollten nur von Frauen und Männern eröffnet werden, die selbst diesem Job nachgegangen sind.
Natürlich brauchen SexarbeiterInnen, speziell wenn sie unerfahren und jung sind, einen großen Informationspool zu den Themen Verhütung und Umgang mit den Kunden. Beispielweise ist es für Sozialarbeiter selbstverständlich eine Supervision zu haben, damit eine gewisse Distanz aufgebaut wird und diese auch gehalten wird. Wie sonst lernt man professionell zu bleiben und nicht zu viel Persönliches einfließen zu lassen?
Das alte „Hurenwissen“
Du fragst dich, was man wissen und können muss um den Beruf Sexarbeiterin auszuüben und gut dabei zu sein?
Ich glaube, das steckt in einem drinnen oder auch nicht. Sicherlich gibt es auch SexarbeiterInnen, die das überhaupt nicht können. Die Frauen merken es sehr wohl, weil sie nicht so gut verdienen wie andere.
Der Trend, dass Frauen von Stadt zu Stadt zu laufen und überall abzufegen, war nie meins. Ich habe immer geschaut, dass ich länger an einem Ort bleibe, da es für mich viel leichter war mit Stammkunden zu arbeiten. Bei neuen Kunden weiß man nie wer gerade auf einen zukommt.
Ich denke das ist in anderen Berufen genauso. Was braucht man beispielsweise um eine gute Filmemacherin zu sein? Ich muss zuhören können, ich muss das, das und das können.
Es gibt einfach Dinge die kann man nicht lernen. Entweder ich hab’s in mir drinnen oder auch nicht.
Grundvoraussetzungen sind gewisse Empathie, Einfühlungsvermögen, ein offenes Ohr, bei manchen Dingen die „Pappen“ halten zu können, eine Form von Diskretion und zu guter Letzt ein bisschen, das klingt jetzt ganz witzig in diesem Zusammenhang, Anstand.
Anstand in folgender Form: ich kitzle nicht alles bis zu Ende aus, mache keine Heiratsversprechungen oder verspreche nicht ihm ein Kind zu gebären.
Früher wurde das Wissen von Frau zu Frau weitergegeben, entweder von der Bordellchefin oder der ältesten Frau im Haus. Gesundheit, Verhütung, Hygiene und Sicherheit. Bevor eine Sexarbeiterin anfangen durfte zu arbeiten, hat sie erstmal mit der Dienstältesten einen Kunden gemeinsam gehabt, oder es sind angestammte, seit Jahren bekannte Kunden den Frauen „vermittelt“ worden. Diesen war bewusst, dass die Frauen mit dieser Tätigkeit erst anfingen, was den Frauen den Einstieg erleichterte.
Ich hab das Gefühl, dass heutzutage die Frauen einfach ins kalte Wasser geschupft werden. Deshalb bin ich für eine Art Ausbildung für angehende Sexworker, die ich allerdings nicht vorschreiben würde da ich den Sinn jedes Zwanges stark bezweifle. Es sollte jedoch eine Möglichkeit geben, wie zum Beispiel in England die Sexworker Academy, die von der Kolleginnen sehr gut angenommen wird.
Ich bin zu diesem Beruf relativ spät, mit 27, über eine Bekannte gekommen. Zuerst habe ich im Escortbereich gearbeitet und dann in einer Bar (Nachtclub). Ich habe mich bewusst dazu entschlossen. Ich wusste, um was es geht, doch im Nachhinein muss ich gestehen, dass mir nicht bewusst war, welche Strukturen dahinter herrschen. Anfang der Neunziger Jahre ist es von der Betreiberseite sehr schmutzig zugegangen.
Im Netz der Betreiberinteressen
Als ich in den ersten Wochen dort arbeitete, kam ein Mann alleine ins Lokal und trank sein Bier an der Bar. Mein damaliger Chef sagte zu mir: „ Geh zu dem und bleib dort sitzen. Wahrscheinlich will er nicht aufs Zimmer gehen. Aber wenn schon, dann zahl ich dir das Doppelte, was du sonst bekommst. Sprich mit diesem Menschen über alles, nur nicht über das Geld. Ich bezahle deine Getränke.“ Mir kam dies sehr komisch vor und ich erwiderte: „Ich setz mich da nicht die ganze Zeit hin.“ Der Chef erklärte mir, dass er mir jetzt schon den Zimmerpreis zahlt für die Zeit, in der ich dort sitze und dass der Kunde ein VIP sei, denn er ist der Polizeichef einer österreichischen Landeshauptstadt. Also bin ich dort die ganze Nacht gesessen. Der Mann hat sich total niedergesoffen und mich andauernd mit seiner ersten großen Liebe verwechselt. Vielleicht habe ich dieser Frau ähnlich gesehen. Ich weiß es nicht genau. Ich ging mit ihm aufs Zimmer, wo er nichts weiter gemacht hat als sich auszuziehen und gleichzeitig seine Waffe zu verlieren. In diesem Augenblick wurde ich nachdenklich, denn ich hatte vorher vom Chef Instruktionen bekommen. Ich sollte, selbst wenn es nicht zu Sex kommt, Sexszenen vorspielen und ihn dazu animieren. Mir wurde das alles zunehmend suspekter. Der Polizist kniete sich dann nackt vor mir hin und bezeichnete mich als Göttin. Als ich später wieder in die Bar kam, sagte der Chef: „Na, da ist ja unsere Göttin!“ Da hat es „Klick“ gemacht! Ich war im Zimmer im zweiten Stock und er war die gesamte Zeit in der Bar unten. Da gab es keine Chance etwas aus dem Zimmer zu hören.
Später bestätigte einer der Kunden meinen Verdacht. Dieser Kunde war ein Freund des Betreibers und gleichzeitig sein Haus- und Hofarchitekt. Das Erste, was er gemacht hat, war meine Handtasche auf einen kleinen Haken zu hängen, damit die Beleuchtung ausging und wir ungestört sein konnten. Nachdem ich ihm diese Geschichte erzählt habe, sagte er mir, dass ich aufpassen soll, da es wahrscheinlich eine Videokassette von mir mit dem Polizeichef gab. Zweck dieses Videos war den Polizisten für sich einzunehmen, indem man ihn glücklich gemacht hatte und andererseits um ein Druckmittel zu haben. Der Betreiber hatte vor, ein zweites Etablissement zu eröffnen und wollte sich dadurch die Unterstützung vom Polizeichef zusichern.
Das geht überhaupt nicht! Hat jemand gefragt, ob ich das will? Nein! Abgesehen davon, war ich Prostituierte jedoch keine Kriminelle, und ich wollte auf keinen Fall eine sein. Genauso wenig möchte ich, dass jemand, der meine Dienste in Anspruch nahm oder auch nicht, erpresst wird. Was ich aber am schlimmsten gefunden habe war, dass ich überhaupt nichts davon gewusst habe!
In diesem Nachtclub verkehrten berühmte Schauspieler und andere Prominenz. Ich aber blieb nur fünf Monate und bin dann ins Ausland gegangen, weil mir diese Geschichten zu „heiß“ wurden. Ich wollte nicht das Werkzeug von Kriminellen sein. Es wurden geschäftliche Vorteile auf Kosten der Frauen erwirkt.
Erlebnisse mit Kunden
Für mich gab es auch sehr oft erfreuliche Erlebnisse mit Kunden. Später habe ich auch im SM Bereich gearbeitet. Ein Kunde, der immer die ganze Nacht geblieben ist, sagte mir immer vorher, dass er spielen möchte. Hier ging es um Rollenspiele. Bei mir konnte er Dinge ausleben, wie es ihm sonst nicht möglich war. Zum Beispiel war ich seine Ehefrau, und wir haben die häusliche Situation bis ins Detail nachgespielt oder ich war die Sekretärin, die beim Diebstahl erwischt wurde. Diese erpresste er dann und hatte Sex mit ihr, quasi nicht einvernehmlich. Immer nach der Nachtsession haben wir eine Stunde gefrühstückt und uns „normal“ unterhalten. Ich habe einmal gefragt, was er von Beruf sei und er sagte mir, dass er praktizierender Neurologe sein und auch Psychologie studiert habe.
Ich erinnere mich an einen Kunden, der mir im Detail von seinem Leben erzählt hat. Seine Frau war an Krebs erkrankt. Ich kannte ihn sehr lange, und er hat mir jedes Mal Fotos von seinen Kindern mitgebracht. Teilweise kam er direkt aus dem Krankenhaus um zu kuscheln. Wir hatten nicht mal richtigen Sex miteinander. Er hat einfach körperliche Nähe gebraucht, und eine Person mit der er reden konnte. Jetzt würde jeder sagen: „Wuhuhu, der hat seine Frau betrogen!“ Aber so war es nicht. Er hat sich einfach Kraft geholt für diese Situation. Das Wissen darum, das Leben anderer Menschen positiv zu beeinflussen, gab mir ein gutes Gefühl. In diesem Moment dachte ich mir: „Schon gut, dass ich das mache.“
Du fragst, ob es vielleicht auch ganz schreckliche Erfahrungen mit Kunden gab? „Leider“ nein. Nein, ehrlich gesagt, habe ich gewisse Kunden nie angezogen. Ich habe eine besondere Ausstrahlung, speziell wenn ich beruflich unterwegs bin, die für solche Männer nicht reizvoll ist. Das Spannende ist, dass ich in meiner privaten Situation als Frau in Partnerschaften, viel, viel, viel grauslichere Sachen erlebt habe, als in der Sexarbeit. Dort ist man mir immer mit Wertschätzung begegnet. Es gab eine Woche, in der ich fünf Heiratsanträge bekam und drei davon waren ernst gemeint. Das ist etwas, was sich bei mir privat in dieser Form nie ergeben hätte. Mich hat keiner gezwickt, gewürgt oder sonst was. Sie wollten immer die Superkerle sein, da sie es mit einer Superfrau zu tun hatten.
Ich habe in Deutschland ein Haus gehabt, in dem 7-8 unterschiedliche Frauen arbeiteten. Von klein, zierlich und blond bis groß und dunkelhaarig. Rothaarige und Frauen Mitte 40. Es gab einen Kunden, der jede Woche kam, sich hinsetzte und alle angesehen hat und wieder ging. Für ihn war nichts dabei. Irgendwann hatte ich einen schlechten Tag und ich war genervt. In einem kleinen Wutanfall habe ich ihn dann mit Fußtritten aus dem Haus geschmissen. Am nächsten Tag, kam ich etwas zu spät ins Haus. Die Frauen hatten schon Kunden hineingelassen und sagten mir lachend, dass jemand schon auf mich wartet. Ich ging ins Zimmer und besagter Herr saß schon erwartungsvoll auf dem Bett mit einigen Scheinen. Er sagte mir: „Das habe ich gebraucht. Genau das brauche ich. Bitte mach mich fertig.“. Er kam immer mal wieder.
Privat und Professionell
Ich denke, dass sich das mit dem Beruf erübrigt, wenn ich privat eine sehr enge Beziehung zu einem Mann habe. Ich beobachte auch Frauen, die diesen Job machen und feste Partner und Ehemänner haben. Da gibt es immer Stress mit diesem Thema. Ich würde ja auch nicht wollen, dass mein Partner am Strich geht. Also kann ich es nachvollziehen, wenn das jemand nicht will. Ist es nicht fragwürdig, wenn ein Mann sagt, dass es ihn nicht stört, wenn die Frau der Prostitution nachgeht? Das sind meistens Menschen, die davon mitschneiden wollen und was genau ist das dann für eine Beziehung? Pfeif drauf! Das brauch ich nicht!
Ich habe entweder eine feste Beziehung mit einem Mann oder die Sexarbeit. Beides gleichzeitig funktioniert für mich nicht. Obwohl es praktisch ist, wenn man einen Kunden als Partner findet, denn diesen muss man nicht anlügen, wenn es um den Job geht.
Geht man „in der freien Wildbahn“ auf Partnersuche, wird irgendwann einmal gefragt: „Was hast du gemacht?“ Der Teufel schläft nun mal nicht. Früher oder später kommt die Wahrheit ans Licht und dies führt oft zu Problemen. Die Männer wollen nicht mit einer ehemaligen Sexarbeiterin zusammen sein, das macht die Sache sehr schwierig.
Eine Sozialarbeiterin, die in diesem Bereich arbeitet, hat mir erzählt, dass ein Mann keine Beziehung zu ihr wollte, mit der Begründung, dass sie zu viele „Einblicke“ hätte.
Für die meisten Männer ist es schon eine Abschreckung, wenn Frauen in irgendeiner Form mit Sexarbeit zu tun hat.
Zu meiner Schande muss ich gestehen, Freude daran gehabt zu haben, im SM Bereich zu arbeiten. Die Macht zu haben, das hat mir gefallen. Ich war immer Herrin, nie Sklavin, man kann nur das eine oder das andere sein. Switchen ist gefährlich, da man dann von den Kunden nicht mehr ernst genommen wird, wenn man die dominante Rolle übernimmt. Speziell wenn ich professionell arbeite, also wenn ich Geld bekomme, muss ich gewisse Dinge einhalten.
Girlfriend-Sex, bei dem man sich so verhält, als ob es nicht professionell ist, halte ich auch für gefährlich hinsichtlich Grenzüberschreitung.
Ich hab Frauen erlebt, die sich wirklich soweit darauf eingelassen haben und sich dann in Kunden verliebt haben. Das ging so weit, dass sie sogar Suizidversuche ausübten und von Kolleginnen oder Kunden fertig gemacht wurden.
Ich sehe das als sehr gefährlich an. Auch aus gesundheitlicher Sicht, da werden oft Sachen ohne Kondom angeboten, da bin ich nicht dabei.
Es gibt bestimmte Rituale um in die Rolle hineinzukommen, sowie auch Schauspieler sich auf eine Rolle vorbereiten. Ich hatte immer eine andere Berufskleidung und andere Schminke. Die Umgebung ist natürlich auch anders. Es ist wichtig für mich, dass ein Handtuch auf dem Bett liegt, Kosmetiktücher, verschiedene Spielsachen und andere Utensilien z. B. Strümpfe.
Solidarität
Solidarität hab ich eigentlich in Deutschland kennen gelernt. Dort hab ich in einem Haus gearbeitet: erste Etage eine Frau, zweite Etage eine Frau und Gemeinschaftsräume im Erdgeschoss, die man sich geteilt hat.
Die Betreiberin hat auf mich gewartet und gesagt: „Du bist jetzt die fünfte Frau, die dort zum Arbeiten anfängt, weil die Petra, die dort schafft sooo unmöglich ist, die verjagt alle jungen Frauen. Ich kann nicht zwei ältere Frauen hineinsetzten. Petra ist 47, die macht alle jungen Frauen, die hinkommen fertig.“
Vor mir waren nur deutsche Frauen dort, ich war eine junge Österreicherin und das war schon genug für sie. Sie hat mir dann gleich einmal gesagt: „Du bist ja eine Schluchtenscheißerin. Da musste ich mit meinen Eltern immer hinfahren, das war so mies und diese ganzen beschissenen Berge.“
Sie kam aus dem Ruhrpott, also schlimmste Sprache. Ich hab mir gedacht: „Uuh, das fängt schon toll an.“ Sie hat mir sehr genau geschildert, wie blöd sie Österreich findet und, dass sie von mir auch nichts Besseres erwartet.
Als ich meinen ersten Kunden dort hatte und vom Zimmer runter kam, fragte sie mich, wie es denn so war. Ich sagte: „Na eigentlich war es ein Scheiß, weil der mich gefragt hat, ob ich untersucht bin.“ „Und was hast du Depp dazu gesagt?“
„Ich hab gesagt „Ja freilich bin ich untersucht!““
Damals war in Deutschland noch die Untersuchungspflicht vorgeschrieben.
Sie fragte mich dann, was mein Kunde denn als erstes gesagt hätte. Meine Antwort war, dass er das Kondom weglassen wollte. Worüber ich sehr verärgert war.
„Und was sagt dir das jetzt?“, fragte sie mich. „Das nächste Mal sag: „Ich hab ja keine Ahnung“ zu allen Kunden, die so was fragen. Und dann sagst du noch, du weißt nicht, ob du etwas hast, weil du am Vortag noch mit einem Neger was gehabt hast.“ Das hat sie dann wortwörtlich so gesagt. Sie war halt sehr radikal.
Dann ich lernte, dass ich gewisse Dinge einhalten muss, um sie bei Laune zu halten. Das war eine Taktik, die ich erst mit der Zeit lernte. Eines Tages, als ich das noch nicht wusste, parkte auf ihrem Parkplatz ein Kunde, der gerade bei mir war und da drehte sie durch. Sie schlug im ganzen Haus Türen zu und schrie herum: „Der Scheißwichser steht auf meinem Platz!“ Dann stürmte sie auch in mein Zimmer hinein und machte den armen Menschen so fertig und mich auch. Ich dachte: „Hallo was geht hier ab? Wie ist die denn drauf?“ Sie war voll heftig unterwegs.
Ich verstand, wie ich mit ihr umgehen muss. Irgendwann sagte sie: „Das Einzige, was mir an Österreich getaugt hat, war dieser Schweinebraten oder wie das heißt.“
Am nächsten Tag kochte ich für sie einen Schweinebraten.
Egal was sie gesagt hat, auch wenn sie mich kritisiert hat, ich hab nie zurück geschrien, sondern habe gefragt: „Warum bist du denn jetzt so sauer? Sag mir das!“
Ein Beispiel dafür: Eines Tages brachte mir ein Kunde einen riesigen Eisbecher aus einer Eisdiele mit und ich stellte ihn in den Kühlschrank. Nachdem der Kunde weg war, wollte ich den Eisbecher eigentlich essen. Da sah ich, dass der Eisbecher im Müll lag. Ich sagte: „Oh, was ist denn da passiert? Hat dir der Eisbecher nicht gefallen?“
Dann sagte sie: „Du wirst wohl nix von so einem…fressen?!“
„Ja, stimmt, man weiß ja nicht, ob der da nicht vorher irgendwas drauf gespritzt hat und will, dass wir das essen. Hast irgendwie Recht.“
Daraufhin schnappte ich mir mein Auto, fuhr zur nächsten Eisdiele und holte für sie und mich einen Eisbecher. Ich dachte natürlich nichts Böses dabei, der Typ kommt halt zu mir, zahlt 150 oder 200 Mark, bringt einen Eisbecher mit. Der meint das ja vielleicht ganz nett. Aber ich zeigte ihr damit, dass ich sie ernst nehme.
Einmal, als ihre Mutter krank war und sie zu Hause bleiben wollte, sagte ich ihr, sie könne ruhig bleiben. Ich würde ihre Miete für diesen Tag übernehmen und alleine arbeiten. Da merkte sie, von meiner Seite gibt’s ein Entgegenkommen.
Immer wenn Kunden nicht bei mir bleiben wollte hab ich gesagt: „Da unten ist noch jemand, vielleicht möchtest du zu der Frau.“
Da ich ihr Solidarität zeigte, ist bei ihr das Licht angegangen und sie wurde dann nach Jahren meine beste Freundin.
Ich kaufte das Haus, in dem wir arbeiteten und sie blieb dann noch lange dort.
Eben diese Frau brachte mir sehr viele „Tricks“ bei. Sie zeigte mir, wie man diese Dienstleistungen anbieten kann „ohne viel von sich hergeben zu müssen“. Sie zeigte mir die ganzen SM- Praktiken, die ich überhaupt nicht gekannt hatte, und zwar am „lebenden Objekt“. Nur so kann man das lernen.
Das ist etwas, das man eigentlich nicht inszenieren kann.
Es ist so schade um diese erfahrenen, älteren Frauen. Die gibt es einfach nicht mehr, und zwar weil sie von den Betreibern nicht erwünscht sind.
Entzauberung
Prinzipiell gibt es gibt viel Konkurrenz unter den Frauen in der Gesellschaft, vor allem, weil es günstigere Möglichkeiten gibt, als Prostitution, um an Sex zu kommen. Die Gesellschaft öffnet sich. Speziell viele junge Männer sind „treuer“. Dazu kommt, dass Prostitution immer weniger spannend wird. Dies liegt zum Teil auch an Fernsehsendungen, die zum Beispiel auf ATV gezeigt werden, die einen Einblick in die Branche ermöglichen.
Früher hatte Prostitution etwas Geheimnisvolles, aber durch solche Dinge, wie auch dieses Interview, wird so Vieles „entzaubert“. Das macht Prostitution für viele Menschen uninteressant, denn die meisten machen es wegen dem verbotenen Flair.
Selbstverwaltung
Warum können nicht mehrere Frauen miteinander selbstständig ein Lokal führen? Warum braucht man denn einen Betreiber? Warum muss ich einen Polizeichef an der Nase herum führen?
Was soll denn die Scheiße?!
Es geht um ein Geschäft zwischen zwei mündigen Menschen, zwischen einer Frau und einem Mann:
Sie bekommt das Geld, damit er Spaß hat und sie ihn am nächsten Tag nicht anruft, also wieder aus seinem Leben verschwindet. Wenn er will, kann er sie wieder anrufen und wenn nicht, lässt er es bleiben. Es wird niemand schwanger, es fragt niemand: „Was willst du morgen essen?“ oder „Wann kommst du nach Hause?“. Es ist alles ganz egal. Warum kann man das nicht akzeptieren?
Woran liegt es, dass sich nicht ein paar Frauen zusammenschließen können, um ein Lokal zu eröffnen? Welche Strukturen verhindern, dass sich Frauen selbst organisieren können?
Die rechtlichen Rahmenbedingungen führen dazu, dass die Betreiber eine Machtposition haben. Außerdem ist Prostitution ein sehr schnelllebiges Geschäft.
Viele „gute“ Frauen suchen sich einen Sugardaddy und hören auf zu arbeiten. Es gibt viele wohlhabende Männer, die neben einer Ehefrau noch eine Frau aus einem Bordell haben. Diese Frau ist dann die Einzelgeliebte und ihr wird zum Beispiel eine Wohnung bezahlt. Diese Frauen sind auch zum Teil in der Firma des Mannes angemeldet und bekommen ein Gehalt.
Ich hab oft das Gefühl, Bordelle sind eine Form von Heiratsinstitut. Die Frauen nehmen dies gern an. Sie sagen: „Das ist okay, weil ich diesen Mann kenne und ich weiß, was er will und was er nicht will. Außerdem muss ich ihm nichts vorlügen oder Geschichten erfinden.“
Im Unterschied zu früher arbeiten viele selbstbewusste und erfahrene Frauen nicht in Lokalen sondern vereinzelt in Privatwohnungen oder als Independent Escorts (Einzelunternehmertum). Der Arbeitsablauf in Bordellen erschwert jegliche Selbstorganisation.